Babetteria 25: Change-Management-Talk I
Viele Intranets sind technisch hervorragend umgesetzt und haben eine gute Usability. Dennoch entfalten manche Intranet-Projekte nicht die gewünschte Wirkung: Die Mitarbeiter nutzen es nicht – zumindest nicht täglich. Kristina Schüller ist in unserem Team verantwortlich für Change-Management-Prozesse. Mit ihr habe ich das thematisiert.
Kristina, möchtest du ein paar Worte zu deinem beruflichen Hintergrund sagen?
Im Rahmen meines Psychologiestudiums und meiner Berufspraxis habe ich mich bisher weniger mit dem technischen System beschäftigt, sondern mehr mit dem Menschen, der dieses System nutzt. Ich habe sieben Jahre bei Sony gearbeitet und als interne Beraterin viele Projekte begleitet, bei denen es um Neuerungen und Veränderungen im Unternehmen ging. Diese Zeit hat mir gezeigt, dass Menschen sehr unterschiedlich mit Veränderungen umgehen und dass einer der wichtigsten Faktoren für die erfolgreiche Implementation von Veränderungen – seien es nun neue Produkte, Strategien oder IT-Systeme – der Mensch ist.
Auch aus diesem Grund habe ich mich als systemische Organisationsberaterin und Coach auf die Begleitung von Menschen und Unternehmen spezialisiert, die sich in einem Veränderungsprozess befinden.
Wir beide kennen die Situation nur zu gut: Ein Unternehmen führt ein Intranet ein…
… und technisch ist alles wunderbar. Es wurde nur vergessen, dass am anderen Ende der Maschine ein Mitarbeiter sitzt, dessen Akzeptanz wir für das Neue benötigen, damit es effektiv sein kann. Wir müssen uns bewusst sein, dass Veränderungen auch das Aufgeben lieb gewonnener Gewohnheiten bedeuten. Nun will ich nicht sagen, dass wir grundsätzlich Gewohnheitstiere sind und uns gegen Neues immer wehren, aber um einen Schritt auf unbekanntes Terrain zu wagen, braucht es Mut. Manche von uns haben davon mehr, andere weniger und jeder will dort abgeholt werden, wo er steht. Veränderungen werden sehr individuell erfahren und daher ist auch eine sehr individuelle Begleitung erforderlich, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Eines ist auf jeden Fall klar: Ohne Akzeptanz der User kann auch das schönste, teuerste und intelligenteste System der Welt sein volles Potential nicht entfalten. Warum? Weil es keiner vollumfänglich nutzt!
Aber jetzt mal ehrlich: Wie viele Intranet-Projekte wurden in den letzten Jahren durchgeführt, ohne dass an das Thema Change-Management auch nur gedacht wurde?
Zu viele, Babett! Im besten Fall beschwert sich der Kunde nicht, weil er nicht merkt, dass das neue System eigentlich mehr bringen müsste. In anderen Fällen bleibt der Kunde häufig auf hohen Investitionskosten sitzen, ohne dass die Arbeit wirklich effizienter wird. Hinzu kommt, dass Kollegen Recht bekommen, die von Anfang an gegen eine Veränderung waren und behaupten, dass Veränderung eh nichts bringt. . Langfristig entsteht so eine Müdigkeit gegenüber Neuerungen im Unternehmen.
Unterm Strich ist fehlendes Change-Management oft die Hauptursache dafür, dass Intranet-Projekte nicht 100%ig erfolgreich sind. Kristina, du bist neu in unserem Team und beim Lesen deiner MySite bin ich bei deinem Motto hängen geblieben:
„Change-Management ist nicht die Fähigkeit den Prozess zu verändern, sondern die Fähigkeit, andere dazu zu motivieren den Prozess zu verändern.“
Oha, wie Recht du hast. Aber was steckt eigentlich dahinter?
Gerade in Beraterkreisen ist der Gedanke weit verbreitet, man wüsste, wie die Welt funktioniert. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Kunden ihrer Tätigkeit schon sehr lange sehr erfolgreich nachgehen und viele Erfahrungen gemacht haben. Vielleicht sollten wir (Berater, Experten, Entwickler) nicht immer nur unsere Lösungen implementieren, sondern unseren Mehrwert darin sehen, den Kunden so zu involvieren und zu begleiten, dass er seine eigenen Lösungen entwickeln kann. Ziel ist es, einen „sense of ownership“ zu generieren und nur das zu tun, was für den Kunden wirklich hilfreich ist. Und wer wüsste das besser als der Kunde selbst? Das Dilemma aus meiner Sicht ist, dass wir zu viel sagen und zu wenig fragen – und uns dann wundern, wenn niemand das neue System nutzt. Change-Management setzt genau hier an: Es geht darum, mehr zu fragen, Betroffene zu Beteiligten zu machen und die vorhandenen Potentiale z. B. aus der Belegschaft und von internen Verantwortungsträgern auszugraben und zu nutzen.
Was heißt das jetzt konkret für die Intranet-Praxis? Ein guter Ansatz für einen Change-Management-Prozess sind z. B. Mitarbeiterbefragungen und Workshops, in denen die Mitarbeiter erste Ideen und Tools für ihr Intranet entwickeln können. Du bereitest gerade für eines unserer Projekte eine Großgruppenveranstaltung vor. Was wird dort passieren?
Klassischerweise arbeitet man im Rollout eines Intranet-Projektes mit Projektgruppen, Auftraggebern, Steuerkreisen und ähnlichen Gremien, die schon aus Effizienzgründen meist nur eine kleine Gruppe von Mitarbeitern und Verantwortungsträgern im Unternehmen darstellen. Wie aber erreicht man alle Mitarbeiter in einem Unternehmen mit mehreren Hundert und manchmal sogar Tausenden Beschäftigten?
Ein mögliches Format dafür ist eine Großgruppenveranstaltung. Die Idee dahinter ist, eine sehr große Anzahl an Mitarbeitern in sehr kurzer Zeit in einen laufenden Veränderungsprozess zu involvieren. Allen Mitarbeitern soll die Möglichkeit gegeben werden, Themen auf die Agenda zu bringen, die die Verantwortlichen selbst vielleicht noch gar nicht gesehen haben.
Im Dialog sollen Befürchtungen besprochen, neue Lösungen entwickelt und Erfahrungen ausgetauscht werden. Auch gemeinsam etwas Neues zu lernen gehört zu den erwünschten Zielen. Häufig entwickelt sich durch dieses gemeinsame Erlebnis ein großes Interesse für das Thema und die Menschen werden inspiriert, etwas damit zu tun. Ein wichtiger Effekt ist natürlich auch, dass ein einheitlicher Informationsstand zu einem Zeitpunkt sichergestellt werden kann. Trotzdem ist das Vorgehen bei einer Großgruppenveranstaltung ein ganz anderes als bei einer klassischen Mitarbeiterversammlung, bei der die Geschäftsführung über den Stand des Projektes informiert. Hier geht es darum, mitzuwirken und aktiv zu werden. Der durch die Moderation gestaltete offene Rahmen ermöglicht es den Teilnehmern, gemeinsam etwas zu erschaffen, und die Projektverantwortlichen können neue Informationen zur aktuellen Akzeptanz des Projektes im Unternehmen gewinnen.
So, dann kann ich endlich bei einer Open-Space-Veranstaltung oder einem World-Café mitwirken. Ich merke schon, dass es zum Thema Change-Management noch mehr Gesprächsbedarf gibt. Kristina, ich danke dir und schlage vor, dass wir uns demnächst zu einer Fortsetzung unseres Change-Management-Talks treffen. Wer vorher Fragen dazu hat, schreibe an babett@perlrot.de.